Baum-Entdecker-Forum – Juni 2021

Baden-Württemberg, Renchen

30. Juni 2021

Beachtliche Birne

Auch das Deutsche Baumarchiv war in letzter Zeit oft in der Schwarzwaldregion unterwegs. Hier ein wertvoller Fund:
Diese beachtliche Birne überschreitet den geforderten Stammumfang für national bedeutsame Obstgehölze (für die meisten Arten sind das 4 m) bereits deutlich. Der schöne, 1-stämmig gewachsene und vollbekronte Baum steht in den Streuobstwiesen nördlich Renchen im Ortenaukreis. Der Standort befindet sich in den Vorbergen des Schwarzwalds, fällt noch lieblich und mild aus, typisch für den Oberrheingraben. Doch nahe im Osten erhebt sich bereits drohend das steile Massiv des Schwarzwalds mit seiner ganz eigenen Meteorologie. Unwirtlich, kälter, aber auch feuchter.

Die Birne im Oberrheingraben erreicht stattliche 4,10 m. NBE: Stefan Kühn, Deutsches Baumarchiv
Anblick wie in einem US-Nationalpark - die Kandelaber-Weißtanne mit 6,55 m Umfang (gemessen in 1 m über Keimpunkt). Nationaler Baum-Entdecker (NBE): Michel Grün

Baden-Württemberg, Schwarzwald

23. Juni 2021

Tannen-Ungetüm

Solch einen Baum hätten wir in einem amerikanischen Nationalpark erwartet, wo alles landesgemäß „big“ ist. Doch weit gefehlt. Diese Weißtanne (Abies alba) wurde von dem Baumforscher Michel Grün entdeckt und steht in Baden-Württemberg, Schwarzwaldregion. Hier sein eindrücklicher Bericht: „An einem unzugänglichen, steinigen und steilen Hang hat ein Ungetüm von einer Tanne mit untypischem Wuchs überdauert. Wie Stoßzähne gehen schon kurz über dem Boden riesige Kandelaberäste ab und bilden Sekundärkronen. Der Stamm wirkt borstig aufgrund der zahlreichen kleinen Totastspieße. Kandelabertannen sind insgesamt eine seltene Wuchsform, besonders in Deutschland. Ein Exemplar dieser Dimension zu finden, war..
..unglaublich. Und dass sie an einem so trockenen Steilhang mit wenig Feinerde so groß werden konnte, ist ebenfalls erstaunlich.“ Nadelbäume können mit zunehmendem Alter, aufgrund von genetischer Neigung oder durch traumatische Umwelteinflüsse (etwa Wind-bruch, Schneebruch, Blitzeinschlag) aus ihrem strengen Wuchsmuster ausbrechen, das in

der Botanik als monopodial bezeichnet wird: ein Hauptstamm zentral in der Mitte des Baumes, senkrechter Wipfel, Nebenäste quirlförmig ansetzend und oft in Etagen angeordnet.  Die ein-drucksvollste Form eines solchen Ausbruchs wird Kandelaberwuchs genannt. Der Name ergibt sich aus der Ähnlichkeit mit alten Kerzenständern (lat. candelabrum).  Meistens stellt der Hauptstamm

trotzdem noch die dominierende Struktur eines solchen Baumes dar und seine Kandelaberäste sind deutlich kleiner. Nicht so bei diesem Exemplar. Die Kandelaberäste haben sich offensichtlich schon recht früh im Leben dieses Baumes ausgebildet und stehen dem Hauptstamm in ihrer Dimension daher wenig nach. Das Erscheinungsbild dieser Tanne ist somit unglaublich wuchtig und in jeglicher Hinsicht ungewöhnlich. Der Stammumfang in 1m Höhe über Keimpunkt beträgt: 6,55 m!

ÜBERBLICKSARTIKEL Gemeiner Flieder (Syringa vulgaris) - 11.06.2021

Wenn der Flieder wieder blüht …

Wo steht eigentlich Deutschlands dickster und ältester Fliederbusch? Bekannt, vielleicht sogar ein wenig berühmt, ist der Flieder im Domgarten zu Magdeburg, Sachsen-Anhalt. Doch wie alt ist er wirklich und welchen Umfang hat er erreicht? Domprediger i.R. Giselher Quast kennt die Situation vor Ort genau und gibt bereitwillig Auskunft. Doch er dämpft gleich zu Beginn die Erwartungen:
„Der Flieder im Domgarten (Kreuzhof des Magdeburger Doms) ist leider nicht so alt wie vermutet, schon gar nicht so alt wie der tausendjährige Rosenstock im Hildesheimer Dom. Schon vor Jahren hatte uns ein Braunschweiger Gärtner zwar vom „Ruhm“ unseres Flieders über die Grenzen Sachsen-Anhalts hinaus berichtet. Der Tatbestand ist allerdings folgender:
Der Kreuzhof, ursprünglich der Friedhof des Domes für die kleine Personalgemeinde, wurde nach der napoleonischen Besatzung 1827 als Landschaftspark umgestaltet, der bis 1929 bestand. 1930 entschied man sich, den inzwischen im Niveau sehr angewachsenen Domgarten aus entwässerungstechnischen Gründen auf das alte Niveau abzusenken. Dazu wurden sämtliche Bäume und Sträucher entfernt sowie die Grabsteine neu versetzt.“  Erst in

Der berühmte Flieder im Domgarten zu Magdeburg soll der Älteste seiner Art sein in Deutschland, doch so alt ist er gar nicht ...
Ein wunderbar erhaltener alter Fliederbusch steht in der Gemeinde Heuchelheim (Landkreis Gießen) - eine überraschende Entdeckung aus dem Hause Deutsches Baumarchiv

den 1950er Jahren seien dann auf alten Aufnahmen wieder 3 neu angepflanzte Fliederbüsche sichtbar gewesen. Einer davon entwickelte sich in den Folgejahren besonders gut, ein zweiter gedieh langsamer, der dritte existiert heute nicht mehr. Die harmonische Krone des dicksten Flieders wurde dann leider um das Jahr 2015 durch einen Sommersturm beschädigt. Und so lautet das Resumé des Dompredigers aktuell: „Der Flieder ist maximal 80 bis 85 Jahre alt. Der Stammumfang unterhalb der Teilung beträgt 115 cm.“ Das war eine Überraschung für das Deutsche Baumarchiv, denn so rückte ein Fund in unserer hessischen Heimat plötzlich weit nach vorne: ein uriger, lila-blühender Fliederbusch in der Gemeinde Heuchelheim, nahe Gießen. Die Eigentümer, selbst hochbetagt, sind stolz auf ihren Busch und sitzen gerne in seinem Schatten. Kurz nach dem Krieg, im Jahr 1948, wurde er gepflanzt und überspannt inzwischen mit seinen Zweigen zwei Generationen. Wenn man einmal annimmt, dass diese

Pflanze als Setzling 5 Jahre alt war, dann feiert der Flieder in Bälde seinen 80. Geburtstag. Gut geschützt in einem kleinen Garten, eingenischt in eine Eibenhecke und umgeben von Bäumen und Gebäuden, hat der Flieder den Gutteil seiner Krone bis heute erhalten können, was seinen besonderen Charme ausmacht. Zugleich konnte er einen beachtlichen Stamm ausbilden, dessen Umfang (gemessen in 0,5 m Höhe) 1,44 m beträgt! Dies wäre in der Tat rekordverdächtig, wenn da nicht noch ein anderes jüngst entdecktes Exemplar wäre. Es steht wiederum in Sachsen-Anhalt, wiederum in unmittelbarer Nähe eines Doms, diesmal nahe dem Dom zu Halle. Es ist der Flieder im Innenhof der „Alten Residenz“. Auch, wenn dieser Busch wahrlich keine Schönheit mehr ist – vielmehr wirkt der mit Knollen übersäte Stamm wie eine germanische „Irminsul“, wie eine Holzsäule ohne Krone; nur eine Vielzahl schlanker Ruten dringt aus dem alten Stamm hervor – so ist er doch der Dickste seiner Art in unserem Land: 1,55 m. Aber vielleicht kennt noch jemand ein älteres oder dickeres Exemplar? Die Suche wird gewiss noch weitergehen. Weitere Überraschungsfunde sind nicht ausgeschlossen.

Der wohl schönste und markanteste Flieder unseres Landes blüht lila, und nicht in der typischen dezenten Fliederfarbe